Schadvogelabwehr/Vergrämung - Hinweise und Antragsformulare

Erklärung zur Allgemeinverfügung Saatkrähen
In den Städten und Gemeinden Friesenheim, Hohberg, Kippenheim, Lahr, Meißenheim, Neuried, Offenburg und
Schwanau benötigen Jäger im Zeitraum vom 16.04.2025 bis zum 31.07.2025 keine artenschutzrechtliche Einzel-Ausnahme mehr zum
Vergrämungsabschuss von Saatkrähen.
Voraussetzung für einen Vergrämungsabschuss ist, dass mindestens 20 Saatkrähen auf dem Feld sind. Es darf nur ein Abschuss
bis zur Rückkehr des Saatkrähenschwarms auf der Fläche abgegeben werden. Naturschutzgebiete (NSG) sind ausgenommen.
Die Jäger müssen jeden Vergrämungsabschuss beim Amt für Umweltschutz noch am selben Tag in Textform unter Angabe von
Name und Anschrift sowie Ort, Datum und Uhrzeit des Vergrämungsabschusses melden. Die Meldung kann per E-Mail an
umwelt@ortenaukreis.de erfolgen.
Die Allgemeinverfügung gilt nur für die Saatkrähe.
Allgemeinverfügung
für Jagdausübungsberechtigte und Personen mit Jagderlaubnis
zur Abwendung ernster landwirtschaftlicher Schäden
durch Saatkrähen-Vergrämungsabschuss
in besonders betroffenen Bereichen im Ortenaukreis
Das Landratsamt Ortenaukreis, untere Naturschutzbehörde, erlässt folgende
Allgemeinverfügung:
- Räumlicher Geltungsbereich
Der Geltungsbereich dieser Allgemeinverfügung umfasst die landwirtschaftlichen Flächen in den Gemeindegebieten von Friesenheim, Hohberg, Kippenheim, Lahr, Meißenheim, Neuried, Offenburg und Schwanau. Ausgenommen vom Geltungsbereich sind Naturschutzgebiete (NSG
- Geltungszeiten
Die unter Nr. 3 genannte Ausnahme ist befristet auf den Zeitraum vom 16. April bis einschließlich 31. Juli 2025.
- Ausnahme vom artenschutzrechtlichen
Tötungsverbot
Personen, die innerhalb des unter Nr. 1 genannten räumlichen Geltungsbereichs jagdausübungsberechtigt sind oder über eine Jagderlaubnis verfügen, erhalten für die Vogelart Saatkrähe (Corvus frugilegus) die Ausnahme-Genehmigung vom Tötungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) zum Zwecke der Saatkrähen-Vergrämung durch Vergrämungsabschuss.
- Sofortige Vollziehung
Die sofortige Vollziehung der unter Nr. 3 genannten artenschutzrechtlichen Ausnahme mit den untenstehenden Nebenbestimmungen a) bis d) sowie der untenstehenden Nebenbestimmung e) wird angeordnet.
- Wirksamwerden
Diese Allgemeinverfügung wird am Tag nach ihrer Bekanntgabe wirksam. Sie gilt bis auf
Widerruf.
Die unter Nr. 3 genannte Ausnahme ergeht – ergänzend zu den unter Nr. 1 und Nr. 2 genannten räumlichen und zeitlichen Beschränkungen – unter folgenden
Nebenbestimmungen:
- Die Tötung einer Saatkrähe durch Vergrämungsabschuss darf nur erfolgen, wenn sich ein Saatkrähen-Schwarm von mindestens 20 Individuen auf oder über der betroffenen landwirtschaftlichen Fläche aufhält.
- Die Tötung einer Saatkrähe durch Vergrämungsabschuss darf nur erfolgen, soweit auf der
betroffenen landwirtschaftlichen Fläche
- die Aussaat von Kulturpflanzen bereits stattgefunden hat und die Mehrzahl der Keimlinge eine Wuchshöhe von 20 cm noch nicht erreicht hat, oder
- die Früchte von Sonderkulturen (z.B. Erdbeeren, Kirschen) von den Saatkrähen gefressen werden.
- Nach einem durchgeführten Vergrämungsabschuss darf bis zur Rückkehr des Saatkrähen-Schwarms kein weiterer Vergrämungsabschuss auf der betreffenden Fläche durchgeführt werden.
- Soweit ein Vergrämungsschuss, der keine Saatkrähe getroffen hat, bereits den angestrebten Vergrämungseffekt erzielt, darf auf der betreffenden Fläche bis zu einer Rückkehr des Saatkrähen-Schwarms kein Vergrämungsabschuss durchgeführt werden.
- Jede Tötung einer Saatkrähe durch Vergrämungsabschuss ist dem Landratsamt Ortenaukreis, Amt für Umweltschutz, noch am selben Tag in Textform unter Angabe von Name und Anschrift sowie Ort, Datum und Uhrzeit des Vergrämungsabschusses zu melden. Die Meldung kann per E-Mail an umwelt@ortenaukreis.de erfolgen.
Hinweise:
- Diese Allgemeinverfügung richtet sich nicht an Jedermann, sondern betrifft ausschließlich Jagdausübungsberechtigte und berechtigte Personen mit Jagderlaubnis in den bezeichneten Bereichen.
- Diese Allgemeinverfügung betrifft ausschließlich die Vogelart Saatkrähe (Corvus frugilegus)..
- Diese Allgemeinverfügung hat keinerlei Auswirkungen auf die Wirksamkeit von Rechtsvorschriften außerhalb des Naturschutzrechts. Dies gilt auch für jagd-, tierschutzoder waffenrechtliche Vorgaben.
- Ob ein bestimmtes Grundstück innerhalb eines Naturschutzgebiets (NSG) liegt, kann beim Daten- und Kartendienst der LUBW unter https://udo.lubw.baden-wuerttemberg.de eingesehen werden.
- Diese Allgemeinverfügung einschließlich rechtlicher Begründung kann während der Servicezeiten beim Landratsamt Ortenaukreis, Amt für Umweltschutz, Badstr. 20, 77652 Offenburg, eingesehen werden. Außerdem wird die Allgemeinverfügung auf der Internetseite des Landratsamts Ortenaukreis (www.ortenaukreis.de) bereitgestellt.
Begründung:
Sachverhalt
Durch Saatkrähen wurden im Ortenaukreis in den vergangenen Jahren immer wieder landwirtschaftliche Schäden verursacht. Die Saatkrähen-Vogelschwärme fraßen die frisch ausgebrachte Saat oder zogen gerade aufgegangene Keimlinge aus dem Boden. Weiterhin wurden Schäden an Sonderkulturen wie Erdbeeren oder Kirschen verursacht, indem die Vögel die Früchte fraßen. Der Schwerpunkt der Schäden konzentrierte sich auf die Städte und Gemeinden Friesenheim, Hohberg, Kippenheim, Lahr, Meißenheim, Neuried, Offenburg und Schwanau. In diesen 8 der 51 Gemeinden des Ortenaukreises befinden sich unter anderem rund 8.000 ha Maisanbauflächen, was etwa zwei Drittel der Maisanbaufläche im Ortenaukreis ausmacht.
Sobald auf einem Feld ernste landwirtschaftliche Schäden drohten oder eingetreten waren, hatten die
betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe bereits in der Vergangenheit die Möglichkeit, einen Einzel-Antrag auf artenschutzrechtliche
Ausnahme zum Vergrämungsabschuss von Saatkrähen durch eine jagdausübungsberechtigte Person zu stellen. Hierdurch konnten
einige Schäden erfolgreich abgewendet werden. Da die Prüfung aller Einzel-Anträge zu den jeweils
betroffenen Flurstücken nicht unerheblichen Bearbeitungsaufwand in der Landwirtschafts- und Naturschutzverwaltung verursacht und
einige Zeit in Anspruch nimmt, konnten die Jagdausübungsberechtigten in einigen Fällen erst tätig werden, als ein
Großteil des Schadens bereits eingetreten war.
Diese Allgemeinverfügung soll insbesondere dem Umstand gerecht werden, dass der exakte Ort von
drohenden Saatkrähenschäden weder von den landwirtschaftlichen Betrieben noch von den Behörden flurstücksscharf
vorausgesehen werden kann. Durch die Allgemeinverfügung sollen zum einen rein präventive Einzelausnahmen - von denen später
nie Gebrauch gemacht wird vermieden werden. Zum anderen soll diese Allgemeinverfügung in dringenden Fällen ein
schnelles Handeln zur Abwendung von ernsten landwirtschaftlichen Schäden ermögliche.
Für das Jahr 2024 hatte der Ortenaukreis erstmals eine vergleichbare
Allgemeinverfügung
erlassen. Das Vorgehen hat sich bewährt.
Die anerkannten Naturschutzvereinigungen haben am 04.02.2025 einen Entwurf dieser Allgemeinverfügung mit der Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Es ging eine Stellungnahme ein.
Außerdem wurden die Kreisjägermeister gehört. Sie haben sich in einer gemeinsamen Stellungnahme der Ortenauer Jägervereinigungen geäußert.
Rechtliche Würdigung
1. Schutzstatus Saatkrähe
Die Saatkrähe (Corvus frugilegus) ist in Anhang II Teil B der EG-Vogelschutzrichtlinie geführt, gehört damit zu den europäischen Vogelarten und ist nach § 7 Abs. 2 Nr. 13 b) bb) i.V.m. § 7 Abs. 2 Nr. 12 BNatSchG besonders geschützt. Für diese Art gelten somit die Vorschriften des besonderen Artenschutzes. Spezielle Regelungen im Jagdrecht bestehen für diese Art nicht.
2. Artenschutzrechtliches Tötungsverbot
Nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist es verboten, wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen, zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören (Tötungsverbot).
3. Artenschutzrechtliche Ausnahme (Rechtsgrundlage)
Rechtsgrundlage für die artenschutzrechtliche Ausnahme ist § 45 Abs. 7 S.1 Nr. 1 BNatSchG.
Demnach können die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden von den Verboten des § 44 BNatSchG
im Einzelfall Ausnahmen zur Abwendung ernster land-, forst-, fischerei- oder wasserwirtschaftlicher oder sonstiger ernster wirtschaftlicher
Schäden zulassen.
Eine Ausnahme darf nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen
einer Art nicht verschlechtert (vgl. § 45 Abs. 7 S. 2 BNatSchG).
3.1. Zuständige Behörde
Die sachliche Zuständigkeit zum Vollzug des Naturschutzrechts liegt gemäß § 3 Abs. 1
BNatSchG i.V.m. § 57 Abs. 1 NatSchG i.V.m. § 58 Abs. 1 NatSchG bei der unteren Naturschutzbehörde, soweit nichts anderes
bestimmt ist. Nach § 58 Abs. 3 Nr. 9 d) ist die höhere Naturschutzbehörde zuständig für die Aufgaben des
Artenschutzrechts nach § 45 Abs. 7 BNatSchG für streng geschützte Arten oder wenn der Geltungsbereich ein Naturschutzgebiet
oder die Kernzone eines Biosphärengebiets betrifft. Die Saatkrähe gehört nicht zu den streng geschützten Arten und
Naturschutzgebiete sowie Biosphärengebiete sind vom Geltungsbereich der Allgemeinverfügung nicht umfasst. Folglich ist die untere
Naturschutzbehörde zuständig.
Untere Naturschutzbehörden sind gemäß § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 NatSchG die unteren Verwaltungsbehörden. Untere
Verwaltungsbehörden in den Landkreisen sind auf dem Gebiet des Naturschutzrechts im Bereich besonderer Artenschutz die
Landratsämter (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 1 Landesverwaltungsgesetz (LVwG) i.V.m. § 19 Abs. 1 Nr. 3 c) LVwG). Örtlich
zuständig gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz (LVwVfG) ist in Angelegenheiten, die sich auf ein
ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, die Behörde, in deren Bezirk der Ort liegt. Der Geltungsbereich dieser
Allgemeinverfügung liegt auf dem Gebiet der Gemeinden Friesenheim, Hohberg, Kippenheim, Lahr, Meißenheim, Neuried, Offenburg und
Schwanau, und damit im Ortenaukreis. Zuständige Behörde ist somit die untere Naturschutzbehörde beim Landratsamt
Ortenaukreis
3.2. Einzelfall
Diese Entscheidung bezieht sich auf einen räumlich eng und konkret abgegrenzten Bereich, in dem aufgrund des dortigen Auftretens der Saatkrähen von einer besonderen Schadeneintrittswahrscheinlichkeit auszugehen ist. Es handelt sich insofern um einen Einzelfall im Sinne von § 45 Abs. 7 S. 1 BNatSchG. Die Ausnahme in Form einer Allgemeinverfügung ist in Abgrenzung zur Zulassung einer Ausnahme allgemein durch Rechtsverordnung (vgl. § 45 Abs. 7 S. 4 BNatSchG) in diesem Fall statthaft.
3.3. Ernste landwirtschaftliche Schäden
Die untere Landwirtschaftsbehörde ist zu der Einschätzung gelangt, dass durch Saatkrähen in den Gemeinden Friesenheim,
Hohberg, Kippenheim, Lahr, Meißenheim, Neuried, Offenburg und Schwanau ernste landwirtschaftliche Schäden drohen. Die
Einschätzung, dass derartige Schäden drohen, basiert auf den Erkenntnissen und Erfahrungen der Vorjahre. Im Ortenaukreis werden
jährlich etwa 12.000 ha mit Mais bestellt. Mais ist aus ökonomischer und ökologischer
Sicht im Rheintal die dominierende Ackerkultur und Existenzgrundlage vieler landwirtschaftlicher Betriebe. Seit dem das Saatgut-Beizmittel
Mesurol (Wirkstoff: Methiocarb) seit dem Jahr 2019 nicht mehr angewendet werden darf, ist eine deutliche Zunahme durch Vogelfraß
– insbesondere auch durch Saatkrähen – zu beobachten. Die Wirkung des aktuell noch zugelassenen Beizmittels Korit 420
(Wirkstoff: Ziram) ist wesentlich geringer, sodass sehr häufig erhebliche Fraßschäden auftreten. Neben Mais sind auch
Kulturen von anderem Getreide, Sonnenblumen, Sojabohnen sowie Sonderkulturen wie Kirschen und Erdbeeren betroffen. Wenn die Schäden
eintreten, kann dies zu einer Beeinträchtigung bzw. Verschlechterung der wirtschaftlichen Grundlage der betroffenen
landwirtschaftlichen Betriebe führen. Die Schäden können dabei ein Ausmaß erreichen, das mehr als nur geringfügig
und damit von einigem Gewicht ist. In den von der Allgemeinverfügung umfassten Bereichen traten regelmäßig größere
Saatkrähen-Schwärme auf, sodass dort Fraß-Schäden drohten und verursacht wurden. Bei
Fraßschäden durch Saatkrähen können durch den Minderertrag sowie zusätzlichen Aufwand für Neubestellung und
Bodenbearbeitung Schäden von rund 700 EUR je Hektar Getreide entstehen, was für einzelne Betriebe mehrere Tausend Euro ausmachen
kann. Durch Fraßschäden an Sonderkulturen drohen schon auf kleinen betroffenen Flächen nicht unbedeutende Schäden durch
einen (Teil-)Verlust der Ernte. Lokal drohen für einzelne Landwirtschaftliche Betriebe somit ernste Schäden, die in Ihrer
Gesamtheit auch einen gesamtwirtschaftlichen Schaden für den Ortenaukreis darstellen können. Durch die Nebenbestimmung b) wird
sichergestellt, dass ein Vergrämungsabschuss nicht überall stattfinden kann, sondern nur, wenn tatsächlich Schäden
drohen.
3.4. Alternativen
Neben dem Beizen des Saatguts haben die landwirtschaftlichen Betriebe in der Vergangenheit bereits verschiedene Alternativen wie Vogelscheuchen, Pyrotechnik bis hin zu Knall-Apparaten getestet. Diese wiesen keine oder eine nur unzureichend geringe Wirksamkeit auf. KnallApparate, die regelmäßig laute Geräusche verursachen, können sich außerdem negativ auf lärmempfindlichere Vogelarten auswirken. Andere bekannte Alternativen, etwa die ständige Anwesenheit von Personen, die die Saatkrähen aktiv vertreiben, sind nicht zumutbar.
3.5. Erhaltungszustand
Die Saatkrähe gilt gemäß der aktuellen Roten Liste für Baden-Württemberg als
ungefährdet. Für den Ortenaukreis liegen keine exakten Daten aus Saatkrähen-Zählungen vor. Aus Beobachtungen und
Rückmeldungen an die Verwaltung geht jedoch hervor, dass sich die Saatkrähen-Population im Ortenaukreis auf hohem Niveau stabil
bis tendenziell ansteigend entwickelt. Die Tötung einzelner Saatkrähen-Exemplare infolge des Vergrämungsabschusses
führt nicht dazu, dass sich der Erhaltungszustand der Saatkrähen Population im Ortenaukreis verschlechtert. Dass eine
Verschlechterung des Erhaltungszustands der lokalen Populationen ausgeschlossen wird, wird durch die Nebenbestimmungen a), c) und d)
sichergestellt. Durch die Vorgabe einer Mindestgröße des Saatkrähen-Schwarms wird gewährleistet, dass eine Tötung
nur innerhalb von großen lokalen Populationen erfolgen kann, bei denen der Verlust eines Individuums keine
populationsgefährdenden Auswirkungen hat. Die Beschränkung des Zeitraums, sodass Vergrämungsabschüsse erst ab 16. April
durchgeführt werden können, trägt
dazu bei, dass das erste Hauptbrutgeschäft der Saatkrähen weitestgehend unbeeinträchtigt durchgeführt werden kann.
Dadurch wird eine Verschlechterung der Populationen vermieden. Die Beschränkung auf einen erfolgreichen Vergrämungsabschuss pro
Fläche bis zur erneuten Rückkehr des Schwarms auf diese Fläche verhindert außerdem eine Gefährdung des
Erhaltungszustands der Populationen. Durch die Anordnung der Nebenbestimmungen ist sichergestellt, dass sich der Erhaltungszustand der
Saatkrähenpopulationen nicht verschlechtert. Durch die tagesaktuelle Meldepflicht der Abschüsse (Nebenbestimmung e))
ist
die untere Naturschutzbehörde stets über die aktuellen Abschusszahlen informiert und könnte bei Bedarf diese
Allgemeinverfügung jederzeit widerrufen. Durch die Befristung der Geltungszeit auf ein Jahr ist sichergestellt, dass der Einfluss
dieser Allgemeinverfügung auf den Erhaltungszustand zeitlich begrenzt ist. Dadurch wird außerdem eine zeitnahe
Neubeurteilungsmöglichkeit des Erhaltungszustands im Vorfeld etwaiger Folgenentscheidungen sichergestellt
3.6. Beachtung europarechtlicher Vorgabe
Diese Allgemeinverfügung widerspricht nicht der europarechtlichen Vorgabe an die Mitgliedsstaaten, Methoden zu untersagen, mit denen Vögel in Mengen oder wahllos gefangen oder getötet werden oder die gebietsweise das Verschwinden einer Vogelart nach sich ziehen können (vgl. Art. 8 Richtlinie 2009/147/EG). Beim gezielten Vergrämungsabschuss durch Jagdausübungsberechtigte und berechtigte Personen mit Jagderlaubnis handelt es sich um eine selektive Methode der Tötung. Es ist ausgeschlossen, dass Vögel wahllos oder in übermäßigen Mengen getötet werden.
Gegenüber der EU-Kommission bestehen außerdem Berichtspflichten, wonach die
Genehmigungsbehörde mitzuteilen hat, wie viele Exemplare aufgrund der
artenschutzrechtlichen Ausnahme getötet wurden. Um der Berichtspflicht nachkommen zu können, ist die Meldung von getöteten
Saatkrähen gemäß Nebenbestimmung e) erforderlich. Diese Rückmeldungen sind außerdem für die
Naturschutzverwaltung hilfreich, um die Auswirkungen des Vergrämungsabschusses auf die Saatkrähenbestände
naturschutzfachlich beobachten zu können (Monitoring der Abschusszahlen) und auch, um den Bedarf an artenschutzrechtlichen Ausnahmen
für künftige Jahre abschätzen zu können.
3.7. Natura 2000 (Vorprüfung)
Die durch diese Allgemeinverfügung ermöglichten Vergrämungsabschüsse könnten in
ihrer Gesamtheit - bei weiter Auslegung des Projekt-Begriffs - ein Projekt im Sinne § 34 Abs. 1 BNatSchG darstellen. Vom
Projektbegriff sind nicht nur physische (Bau-)Vorhaben umfasst, sondern auch Tätigkeiten, wenn sie - z.B. durch Lärmeinwirkungen
- ein Natura 2000-Gebiet beeinträchtigen können.Im Geltungsbereich der Allgemeinverfügung befinden sich Teile der
FFH-Gebiete
„Rheinniederung von Wittenweier bis Kehl“, „Untere Schutter und Unditz“, und „SchwarzwaldWestrand von
Herbolzheim bis Hohberg“. Diese Allgemeinverfügung ist nicht geeignet, diese FFH-Gebiete in ihren für ihre jeweiligen
Erhaltungsziele und Schutzzwecke maßgeblichen Bestandteilen erheblich zu beeinträchtige
Im Geltungsbereich der Allgemeinverfügung befinden sich Teile der Vogelschutzgebiete
„Rheinniederung Nonnenweier - Kehl“, „Kinzig-Schutter-Niederung“, „Gottswald“,
„KammbachNiederung“ und „Rheinniederung Sasbach – Wittenweier“. Die Saatkrähe gehört nicht zu den
Vogelarten, für die in diesen Vogelschutzgebieten spezifische Schutz- und Erhaltungsziele formuliert sind. Eine unbeabsichtigte
indirekte erhebliche Beeinträchtigung anderer Vogelarten durch die akustischen Auswirkungen der Vergrämungsabschüsse ist
aufgrund der – auch durch die Nebenbestimmungenen definierten – Projekteigenschaften ebenfalls ausgeschlossen. Störungen,
die durch diese Allgemeinverfügung hervorgerufen werden können, treten örtlich nur punktuell und vereinzelt auf. Sie haben
weiterhin einen äußerst kurzfristigen Charakter, sodass sie nicht geeignet sind, erhebliche Auswirkungen auf die anderen
Vogelarten hervorzurufen.
Eine erhebliche Beeinträchtigung von Natura 2000-Gebieten ist aufgrund der Projekteigenschaften somit ausgeschlossen.
3.8. Naturschutzgebiete (NSG)
Naturschutzgebiete sind wichtige Rückzugsorte für die wild lebenden Tierarten. In den Naturschutzgebieten ist es gemäß den geltenden Verordnungen daher verboten, wild lebenden Tieren nachzustellen oder sie zu töten. Der Geltungsbereich dieser artenschutzrechtlichen Ausnahme nimmt vor diesem Hintergrund die Naturschutzgebiete aus.
3.9. Abwägung - Verhältnismäßigkeit
Die artenschutzrechtliche Ausnahme ist durch den erzielten Vergrämungseffekt geeignet, ernste
landwirtschaftliche Schäden zu vermeiden bzw. das Ausmaß der Schäden erheblich zu verringern. Sie ist erforderlich, da
andere Vergrämungsmaßnahmen bislang erfolglos blieben.
Andere Maßnahmen zur Schadensvermeidung mit geringfügigeren Auswirkungen auf einzelne Saatkrähen-Individuen sind nicht
ausreichend wirksam oder nicht zumutbar. Ohne eine Ausnahme ist mit einem Schadenseintritt erheblichen Ausmaßes zu rechnen. Vor dem
Hintergrund stabiler bis tendenziell ansteigender Saatkrähen-Populationen im Ortenaukreis und dem ungefährdeten Erhaltungszustand
im Land Baden-Württemberg kann mit hinreichender Sicherheit prognostiziert werden, dass diese artenschutzrechtliche Ausnahme vom
Tötungsverbot nicht dazu führt, dass sich der Erhaltungszustand der Saatkrähen-Populationen verschlechtern wird. Das
Interesse an der Abwendung ernster landwirtschaftlicher Schäden überwiegt das Interesse an der Durchsetzung des
artenschutzrechtlichen Tötungsverbots. Es ist daher angemessen, die Ausnahme vom artenschutzrechtlichen Tötungsverbot
hinsichtlich der
Art Saatkrähe zuzulassen.
4. Mitwirkung der Naturschutzvereinigung
Den vom Land anerkannten Naturschutzvereinigungen, die nach ihrer Satzung landesweit tätig sind, ist
vor der Zulassung von Ausnahmen nach § 45 Abs. 7 S. 1 BNatSchG durch Allgemeinverfügung die Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben
(vgl. § 63 Abs. 2 Nr. 4b) BNatSchG). Zu diesem Zweck haben die Naturschutzvereinigungen am 04.02.2025 einen Entwurf dieser
Allgemeinverfügung mit der Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
Bis zum 28.02.2025 ist eine Stellungnahme bei uns eingegangen. Diese haben wir bei unserer
Entscheidung berücksichtigt.
5. Stellungnahme der Ortenauer Jägervereinigungen
Die Ortenauer Jägervereinigungen haben das Erfordernis der tagesaktuellen Rückmeldung durch die Jäger hinterfragt. Sie forderten eine wöchentliche Rückmeldung. Die tagesaktuelle Meldung der Abschüsse ist erforderlich, damit zu jeder Zeit der Überblick über den Erhaltungszustand der Populationen gewahrt bleibt (siehe auch: Rechtliche Würdigung 3.5). Die tagesaktuelle Rückmeldung ist angesichts der heute allgemeingebräuchlichen Verwendung elektronischer Kommunikationsmittel (z.B. E-Mail-Versand per Smartphone) auch zumutbar. Außerdem wurde die zeitliche Begrenzung der Allgemeinverfügung bis 31. Juli hinterfragt und eine Geltungsdauer bis zum 30. November (Aussaat von Wintergetreide) vorgeschlagen. Die aktuell gewählte zeitliche Einschränkung basiert auf den Rückmeldungen aus der Landwirtschaft zum tatsächlichen Erfordernis. Die artenschutzrechtliche Ausnahme ist auf das erforderliche Mindestmaß zu beschränken.
6. Sofortige Vollziehung
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der artenschutzrechtlichen Ausnahme mit den Nebenbestimmungen a) bis d) erfolgt nach § 80
Abs. 2 S. 1 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung entfällt die aufschiebende Wirkung
eines Rechtsbehelfs. Nur bei Anordnung der sofortigen Vollziehung der artenschutzrechtlichen Ausnahme können
jagdausübungsberechtigte Personen und berechtigte Personen mit Jagderlaubnis als Adressaten der Allgemeinverfügung davon
ausgehen, dass die Vollziehbarkeit der Ausnahme besteht. Es ist erforderlich, dass für den Adressatenkreis Rechtssicherheit besteht,
dass die artenschutzrechtliche Ausnahme vollziehbar ist. Vor diesem Hintergrund überwiegt das Interesse der Adressaten die Interessen
eines Dritten an einer aufschiebenden Wirkung eines möglichen Rechtsbehelfs. Die Nebenbestimmungen a) bis d), die
Bedingungen
für die artenschutzrechtliche Ausnahme darstellen stellen sicher, dass die Ausnahme nur bei Sachverhalten greift, bei denen sie
erforderlich ist. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der artenschutzrechtlichen Ausnahme mit den Nebenbestimmungen a) bis d) ist
insgesamt angemessen.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nebenbestimmung e) zur artenschutzrechtlichen Ausnahme erfolgt im öffentlichen Interesse
nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO. Durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung entfällt die aufschiebende Wirkung eines
Rechtsbehelfs gegen die Nebenbestimmung. Die sofortige Vollziehung der Nebenbestimmung e) ist erforderlich, die Rechtmäßigkeit
der artenschutzrechtlichen Ausnahme sicherzustellen. Nur
dadurch kann sichergestellt werden, dass sich der Erhaltungszustand der Saatkrähen Populationen zu keiner Zeit verschlechtert und dass
die vorgeschriebenen Meldepflichten gegenüber der EU-Kommission erfüllt werden können. Würde die Nebenbestimmung e)
durch einen Adressaten angefochten werden und der Rechtsbehelf eine aufschiebende Wirkung entfalten, könnte eine Verschlechterung des
Erhaltungszustands der Saatkrähen-Populationen
nicht ausgeschlossen werden. Außerdem könnte die Verwaltung ihren Meldepflichten gegenüber der EU-Kommission nicht
ordnungsgemäß nachkommen. Vor diesem Hintergrund überwiegt das öffentliche Interesse des Artenschutzes die Interessen
der Adressaten an einer aufschiebenden Wirkung eines möglichen Rechtsbehelfs gegen die Nebenbestimmung e). Die Anordnung der
sofortigen Vollziehung der Nebenbestimmung e) ist insgesamt angemesse
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist beim Landratsamt Ortenaukreis, Badstr. 20, 77652 Offenburg zu erheben. Die Frist wird auch gewahrt, wenn der Widerspruch beim Regierungspräsidium Freiburg, Bissierstr. 7, 79114 Freiburg im Breisgau, erhoben wird.
Offenburg, 17. März 2025
Dr. Nikolas Stoermer
Erster Landesbeamter

Hinweise zum Antrag auf Vergrämungsabschuss von Rabenkrähen u./o. Wildtauben
- Der Vergrämungsabschuss stellt das letzte Mittel der Vergrämung dar. Ohne Angaben und Nachweis, dass bisherige Maßnahmen erfolgslos blieben bzw. nicht zum Erfolg führen würden, kann eine Einzelanordnung nicht erteilt werden.
- Es sollte vorrangig in der regulären Jagdzeit der Rabenkrähen und/oder der Wildtauben (Ringel- und Türkentauben) eine
Erlegung erfolgen. Eine Abstimmung zwischen Landwirt und Jagdpächter in Bezug auf die Bejagung während der regulären
Jagdzeit auf den besonders schadensträchtigen Flächen wird angeraten.
Sie haben die Möglichkeit, den Antrag am PC auszufüllen und dann auszudrucken, zu unterschreiben und uns dann postalisch oder eingescannt per Mail zukommen zu lassen.
Erklärung zur Allgemeinverfügung Saatkrähen
In den Städten und Gemeinden Friesenheim, Hohberg, Kippenheim, Lahr, Meißenheim, Neuried, Offenburg und
Schwanau benötigen Jäger im Zeitraum vom 15.04.2024 bis zum 31.07.2024 keine artenschutzrechtliche Einzel-Ausnahme mehr zum
Vergrämungsabschuss von Saatkrähen.
Voraussetzung für einen Vergrämungsabschuss ist, dass mindestens 20 Saatkrähen auf dem Feld sind. Es darf nur ein Abschuss
bis zur Rückkehr des Saatkrähenschwarms auf der Fläche abgegeben werden. Naturschutzgebiete (NSG) sind ausgenommen.
Die Jäger müssen jeden Vergrämungsabschuss beim Amt für Umweltschutz noch am selben Tag in Textform unter Angabe von
Name und Anschrift sowie Ort, Datum und Uhrzeit des Vergrämungsabschusses melden. Die Meldung kann per E-Mail an
umwelt@ortenaukreis.de erfolgen.
Die Allgemeinverfügung gilt nur für die Saatkrähe.
